Entspannung im Streit um Priesterseminar am Bosporus
7 Ιανουαρίου 2010
Von Ulrich Pick, ARD-Hörfunkstudio Istanbul
Gibt es bald wieder eine griechisch-orthodoxe Priesterausbildung in Istanbul? Der türkische Premier Erdogan hat jetzt erstmals eine mögliche Wiedereröffnung des Seminars Halki angedeutet – und gleichzeitig Griechenland dafür Bedingungen gestellt. Das Seminar war 1971 geschlossen worden.
Kurz vor Weihnachten war es, als ein bekannter US-Sender ein Interview mit dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. ausstrahlte, das wegen seiner Wortwahl in der Türkei für Aufsehen sorgte. Das Oberhaupt der weltweit rund 300 Millionen orthodoxen Christen sagte nämlich mit Bezug auf den Status des Patriarchats in Istanbul: “Das ist die Fortsetzung von Jerusalem. Für uns ist es gleichermaßen ein heiliges und sakrales Land. Wir möchten hier bleiben, auch wenn wir manchmal gekreuzigt werden. Denn im Evangelium steht geschrieben, dass wir nicht nur an Christus zu glauben, sondern auch für ihn zu leiden haben.”
In der Tat haben sich die Bedingungen für die orthodoxe Kirchenleitung in den vergangenen Jahren erheblich verschlechtert. Die griechischstämmige Minderheit in der Türkei ist in den vergangenen 50 Jahren von 120.000 auf rund 3000 Personen geschrumpft. Zudem hatte die Regierung in Ankara 1971 das orthodoxe Priesterseminar auf der Istanbul vorgelagerten Marmarameer-Insel Heybeli, die auf griechisch Halki heißt, geschlossen – so dass in der Türkei keine christliche Theologenausbildung mehr möglich ist.
Da aber der Patriarch und seine Nachfolger laut Auflage aus Ankara türkische Staatsbürger sein müssen, hat das Partriarchat erhebliche Nachwuchssorgen: “Türkische Bischöfe gibt es zur Zeit zusammen mit dem Patriarchen 14 oder 15. Viele davon sind sehr alt. Einen jüngeren Menschen zu finden, der türkischer Staatsbürger ist, der Metropolit ist und in der Türkei lebt, wird sehr, sehr schwierig sein”, erklärt Sprecher Pater Dositheos.
Drei Bedingungen für die Wiedereröffnung
Immer wieder war in den vergangenen Monaten davon die Rede, das Priesterseminar auf Halki stehe kurz vor seiner Wiedereröffnung. Doch nichts geschah. Jetzt aber hat sich Ministerpräsident Tayyip Erdogan erstmals öffentlich hierzu geäußert und konkrete Bedingungen genannt. Sie stehen laut türkischem Regierungschef in direktem Bezug zum Status der muslimischen Minderheit in Griechenland.
Nach dem Prinzip diplomatischer Gegenseitigkeit nämlich – so berichtet die Tageszeitung „Milliyet“ – soll die Regierung in Athen mindestens eine von drei Forderungen erfüllen: erstens, es der muslimischen Minderheit in Westthrakien erlauben, sich „Türken“ zu nennen und ihren Mufti selber zu bestimmen, zweitens eine repräsentative Moschee in Athen zu eröffnen. Drittens könnte sie in der griechischen Hauptstadt einen islamischen Friedhof einrichten, denn die Muslime in Athen müssen ihre Toten aufgrund mangelnder Alternativen stets im rund 400 Kilometer entfernten Westthrakien bestatten.
Wie die jetzige Offerte aus Ankara in Athen aufgenommen wird, ist schwer zu sagen. Denn religiöse Angelegenheiten lösen auf beiden Seiten meist große Empfindlichkeiten aus. Sicher ist jedenfalls, dass jetzt nach langer Zeit wieder Bewegung in das oft unter den Tisch gekehrte Thema kommen dürfte.
Quelle: http://www.tagesschau.de/ausland/bartholomaios100.html