Die Heiligen und Geheiligten (Γερμανικά, German)
15 Ιουνίου 2009
Predigt zum Sonntag Allerheiligen (Mt 10,32-38; 19,27-30), von Patir Martinos Petzolt, Frankfurt
Gott rechnet offensichtlich anders als wir Menschen, er zählt umgekehrt. Das heutige Evangelium endet: Viele Erste werden Letzte sein und Letzte Erste. Und das sind keine leeren Worte. Seinen eigenen Sohn, unseren Herrn Jesus Christus hat er zum Letzten werden lassen als dieser gekreuzigt wurde, doch ist er der Erste der Auferstehung geworden. Und auch der heilige Apostel Paulus in der heuten Lesung zählt eine große Reihe von Menschen auf, die letzte geworden sind in Foltern, Verfolgungen, Askese und Not. Das sind unsere Heiligen: die Martyrer, Bekenner, Asketen: letzte in der Welt und erste bei Gott.
Doch ganz so einfach ist es nicht, wie es scheint. Gott dreht nicht einfach die Reihe um, um rückwärts zu zählen, sondern er bewertet vollkommen anders. Und tatsächlich ist der Gekreuzigte stärker als der Soldat, der Gefolterte tapferer als der Folterer, und der Asket abgehärtet gegen jede Not, Entbehrung, Krankheit und Pein. Die Menschen, die all dies bis zum Tod ausgehalten haben, sind keine schwache, sondern sehr starke Menschen. Und sie sind deshalb zu Recht die Ersten, obwohl sie in den Augen der Welt die Letzten waren.
Aber auch das Maß der Tapferkeit und Stärke zählt letztlich nicht vor Gott. Wir verehren unsere Heiligen nicht, weil sie besondere Heroen waren und besondere Leistungen vollbrachten. Aus Liebe taten sie es, aus einer Liebe, die stärker und größer ist als die Liebe zu seinen Freunden, ja sogar zu Vater und Mutter, wie es im Evangelium heißt. Aus Liebe wurden sie dem Herrn gleich, auch in der Schwachheit und Niedrigkeit, denn er entäußerte sich bis zum Tod am Kreuz.
Im Westen werden die Heiligen eigentlich nur als besondere Vorbilder gesehen. Aber wie sollen sie für uns Vorbilder sein, wo uns hoffentlich keine Foltern wie die heilige Katerina ertragen mußte erwarten, wir auch keine großen Theologen und Prediger sind wie die kappadokischen Väter und Lehrer der Ökumene, keine berühmten Bischöfe und Wundertäter wie der heilige Nikolaos und auch keine großen Asketen wie Antonios der Große. Natürlich haben diese in ihren Taten Christus nachgeahmt und sind ihm ähnlich geworden. Aber noch wichtiger für uns ist, daß sie durch die Gnade Christus gleichgeworden sind. Sie erhielten Anteil an der Heiligkeit Christi. Deshalb sind wir umgeben von Heiligen, auch in diesem Kirchraum. Wir verehren sie, wir grüßen sie, wir feiern zusammen mit ihnen die Göttliche Leitourgia und wir bitten um ihre Fürsprache. Denn sie wurden durch die Gnade Gottes vergöttlicht, sie haben das göttliche Licht geschaut und sie spiegeln uns dieses göttliche Licht wider. Wir sehen die Heiligen auf den Ikonen ja nicht in ihrem realistischen Aussehen wie auf einer Photographie, sondern wie sie jetzt in der göttlichen Herrlichkeit sind, umgeben vom goldenen Nimbus des göttlichen Lichtes, wie sie gewissenmaßen eine Kopie der Christusikone geworden sind.
Wir feiern heute das Fest Allerheiligen. Damit ist nicht gemeint, daß wir heute aller derer Heiligen gedenken, die wegen ihrer großen Zahl nicht im Kalender des Kirchenjahrs Platz haben oder die unbekannt geblieben sind. Wir feiern heute alle Heiligen angefangen von der Gottesmutter. Wir feiern genau am Ende der Pfingstwoche, weil die Heiligen die Früchte der Aussendung des Heiligen Geistes sind. Der Heilige Geist kam an Pfingsten herab, damit wir von ihm erfüllt und geheiligt werden, wir alle. In der Taufe wurden wir mit dem Heiligen Geist gesalbt, wurden wir persönlich vom Heiligen Geist erfüllt, wurden wir Geistträger, ja wurden wir Heilige. Paulus nennt in seinen Briefen deshalb zu Recht alle Gläubige „Heilige“ (Röm 1,7). Daß wir von der Heiligkeit noch entfernt sind, liegt nicht am Heiligen Geist, sondern an unserer Schwäche. Die heiligen Väter und Mütter der Kirche haben aber nicht mehr Heiligen Geist erhalten als wir in unserer Taufe, nur haben sie ihrer Heiligkeit besser bewahrt. Aber auch wir haben täglich die Möglichkeit, uns mehr zu bemühen und voranzuschreiten auf dem Weg der Heiligkeit. Und wir haben dazu die Hilfe und das Vorbild aller Heiligen der Kirche.
Eigentlich könnte man sagen, daß wir heute nicht nur alle Heiligen der Kirche feiern, sondern wir feiern heute die ganze Kirche Christi als die Gemeinschaft der Heiligen, der Menschen, die schon den Lauf ihres Lebens vollendet haben und von Gott geheiligt wurden, und uns selbst, die wir hier auf Erden leben und uns bemühen, ein würdiger und reiner Tempel des Heiligen Geistes zu werden, der uns in der Taufe geschenkt wurde.
Auf die Gebete unserer heiligen Väter erbarme Dich unser und rette uns.